Stern der Vollendung
"Es ist vollbracht."
Kann durchaus positiv gesehen werden im Sinne:
„Ich hab's geschafft.“ Diese Aufgabe, dieser Auftrag ist erfüllt. Und es schwingt Dankbarkeit mit in einer solchen Aussage. Von mir wurde eine Leistung verlangt und ich habe sie erfolgreich erbracht. Das erlebe ich als Selbstbestätigung und bringt mir Zufrieden mit mir selbst und gesellschaftliche Anerkennung in unserer Leistungsgesellschaft. Nur, wir würden dies wohl nicht mit den Worten umschreiben „Es ist vollbracht.“ Diese Formulierung ist einfach zu eng mit dem Kreuzestod Jesu verknüpft.
Vorstellbar ist es schon, dass Jesus im Rückblick auf sein Leben sagt: Es ist vollbracht. Es ist menschlich gesehen sicher nicht leicht gewesen - auf für Jesus nicht - , ein Leben entsprechend seiner Botschaft zu leben. Eine Botschaft, die Jesus angesichts seiner nun erduldeten Hinrichtung sagen lässt: „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.“ oder ein Leben lang den „verlorenen Schafen“ nachzugehen und sich dann mit seinem Vater im Himmel mehr zu freuen über „einen Sünder der umkehrt als über 99 Gerechte, die der Umkehr nicht bedürfen“.
Vorstellbar ist es aber auch, dass der Satz „Es ist vollbracht.“ einfach Ausdruck der Erschöpfung nach all den körperlichen und seelischen Qualen insbesondere jetzt am Ende seines Lebens. Endlich sterben zu können als Erlösung, als Loslassen können im Todeskampf. Eine Vorstellung, die uns menschlich ganz nahe an Jesus heranrücken lässt.
Jesus der ganz den Willen, den Auftrag seines Vaters erfüllt. Jesus aber auch der, der sich ganz getragen weiß von seinem Vater und somit in seiner Aufgabe bestehen kann.
Im Vertrauen auf Gott und in der Treue zu meinem Gott darf ich darauf hoffen, dass auch am Ende meines Lebens der Stern der Vollendung leuchtet und ich sagen kann: Es ist vollbracht. Vorbereiten darauf kann ich mich im Sinne der sog. „ars moriendi“, der Kunst oder Einübung ins Sterben, immer dann, wenn es heißt dankbar zu sein über Vollbrachtes, aber auch loslassen können und offen sein für das, was neu auf mich zukommt.
Stern der Hingabe
"Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist."
Es ist gut, diese beiden Worte gleichzeitig zu betrachten.
Liegt in dem Satz „Es ist vollbracht“ der Blick zurück auf das Leben, so liegt im „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ die Ausrichtung nach vorne. Ein Blick nach vorne im Vertrauen und dem festen Blick auf den, von dem Jesus erwartet, dass er ihm liebevoll, ja zärtlich entgegenkommt. Wissend, zumindest glaubend: Bei Gott bin ich geborgen. (Taizé-Lied: "Bei Gott bin ich geborgen")
Das Wort Jesu „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ ist dem Psalm 31 entlehnt.
In diesem Wort schwingt - ähnlich der letzten Phase des Sterbens nach Kübler-Roos - die Zustimmung in das Unausweichliche mit. Für Jesus ist diese Sich-in-die-Hände-Gottes-Geben ein Akt des Lebens - bis zuletzt. Hier wird nochmal deutlich, was es heißen kann: Ich will, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben“ - auch angesichts des Todes. Ars moriendi, die Kunst des Sterbens, als lebenslanges Einüben in das sich Hingeben, an die Menschen, an das Leben -im Loslassen, in der Hingabe.