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Sieben letzte Worte Jesu am Kreuz - Sieben Sterne in der Nacht – Donnerstag - Stern der Perspektive; Gedanken dazu von Ursel Kelm

Stern der Perspektive
"Mich dürstet."

Danach, als Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war, sagte er, damit sich die Schrift erfüllte:

 Mich dürstet

Wer Durst hat, möchte trinken. Der Ruf Jesu am Kreuz „mich dürstet“ ist zu verstehen als Ausdruck seines körperlichen Durstgefühls. Anstelle erfrischenden Wassers reichen ihm die Umstehenden Essig. Den Durst beantworten Sie mit zusätzlicher Bitterkeit.

Durst kann auch ein Symbolwort sein für die vielen Sehnsüchte, die sich im Menschen regen und erfüllt werden wollen. Ich will, dass es mir gut geht. Ich will leben, blühen, reifen, Frucht bringen. Das entspricht dem Selbsterhaltungstrieb des Menschen.

Es kostet viel Kraft und Zeit, mich mit unerfüllten Sehnsüchten, mit Frustration und mit Schwerem in meinem Leben auseinanderzusetzen und damit auch nur halbwegs fertig zu werden. Und ich muss damit rechnen, dass ich immer wieder gegen erlebte Zumutungen rebelliere.

Hunger und Durst – im direkten und übertragenen Sinn - Wünsche und Sehnsüchte motivieren mich zu viel Positivem und Kreativem, zu Experimenten, Risiken und Anstrengungen. Was haben Menschen nicht alles erfunden, um besser zu leben und glücklich zu werden!

Hinter allem, was geschieht, vermutet Johannes Gottes Hand, Hinter jedem Licht des Lebens und hinter jeglicher Nacht. Doch erleben viele Menschen, die Leid erfahren, Gott oft als Zumutung und Geheimnis.

Für die Wucht des Leides und des Bösen in der Welt gibt es letztlich keine Erklärung, die zufrieden stellt. Es sei denn, man schaut auf Jesus und seine Art, mit dem Schlimmen und mit der Aussichtslosigkeit, die auch ihn getroffen haben, umzugehen. In seiner tiefsten Not und Einsamkeit bleibt Jesus ohne Hilfe. Nur ein Doppeltes bleibt ihm: sich Gott blind glaubend zu überlassen und darauf zu vertrauen, dass die im Moment zerstörerisch empfundene Planung Gottes sich als geheimnisvoller Weg zur Lebendigkeit herausstellt.

In diesen Glauben hat sich Jesus immer wieder, zuletzt noch im Garten Gethsemane, hineingebetet und hineingekämpft: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe“ - ein Gebet, mit dem vielleicht auch ich mich in guten Zeiten in den Willen Gottes hineinkämpfen kann, in die Bereitschaft, aus seiner Hand auch Dunkles anzunehmen. Diese Perspektive ist nur möglich, wenn ich Gottes Treue und Liebe zu mir traue und vertraue. Wie ich dann tatsächlich reagiere, wenn Schweres mich trifft, kann ich wohl kaum vorhersagen.

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